Was ist Marte Meo?

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Das Marte Meo Konzept „aus eigener Kraft“ wurde von der Niederländerin Maria Aarts entwickelt. Die Methode hilft dabei, den alltäglichen Umgang mit Personen, die umfangreich Unterstützung brauchen, zu erleichtern. Die Videoanalyse greift auf Basiselemente der alltäglichen Interaktion zurück, die auch im Umgang von Eltern mit ihren Babys zu beobachten sind. Es gibt sozusagen eine universelle (Körper-) Sprache, die über Kulturen und Generationen hinweg, denjenigen die Hilfe geben, naturgegeben zur Verfügung steht.

Ursprünglich für die Kinder- und Jugendarbeit entwickelt und erprobt, wird Marte Meo nun zunehmend auch in der Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz erfolgreich eingesetzt.

Wie funktioniert Marte Meo?

Als ressourcenorientierte Methode fragt Marte Meo, wie es gelingt, Menschen mit Einschränkungen im Alltag Orientierung, Sicherheit und Wertschätzung zu vermitteln. Marte Meo bedient sich dabei der Videotechnik. Das heißt, kurze Szenen im Alltag werden gefilmt und anschließend analysiert. Dabei werden gezielt die gelungenen Momente im Kontakt herausgearbeitet und bestärkt. Die Grundannahme ist die, dass alle Begleitenden bereits gute, intuitive Kräfte in sich tragen. Das Videocoaching hilft den Unterstützenden, ihre eigenen Fähigkeiten weiter zu entwickeln. Zudem können sie liebevoll die Lösungsversuche und verbliebenen Handlungsmöglichkeiten, der Menschen, die ihnen anvertraut sind, wahrnehmen.

Hier finden Sie ein Praxisbeispiel:

Herr Gerlach, 82 Jahre alt mit fortgeschrittener Demenz, besucht mehrmals wöchentlich eine Tagespflege. Heute steht „Gemüsesuppe kochen“ auf dem Plan. Die Alltagsbegleiterin, Frau Rose, ist damit beschäftigt, alles vorzubereiten. Vier der Tagesgäste sollen gleich damit beginnen, das Gemüse zu schneiden.

Währenddessen unterhält Herr Gerlach sich angeregt mit einer alten Dame. Nach dem sehr freundlichen Austausch entsteht eine kurze Pause, die Herr Gerlach dazu nutzt, sich formvollendet zu verabschieden. Deshalb steht er auf und sagt in die Runde, dass es hier zwar nett sei und er nun aber zu einer beruflichen Reise ins Rheinland aufbrechen müsse.

Jetzt muss Frau Rose sehr spontan und intuitiv handeln, um zu verhindern, dass Herr Gerlach sich auf den Weg macht. Sie geht auf ihn zu und sagt mit einem ganz freundlichen Gesicht: „Wir wollen jetzt kochen und brauchen Ihre Hilfe, bevor Sie gehen“. Herr Gerlach schaut sie erstaunt an. Dann wiederholt sie: „Wir brauchen jetzt Ihre Hilfe“ und zeigt ihm ergänzend ein Küchenmesser, das sie gerade in der Hand hält. Herr Gerlach antwortet: „Meine Hilfe?“ Dann geht sie einen Schritt auf ihn zu, berührt leicht seinen Arm und sagt nun zum dritten Mal „Ja, Ihre Hilfe. Bitte setzen Sie sich doch.“ Herr Gerlach blickt verwundert in die Runde und meint nach kurzem Überlegen: „Dann bleibe ich noch!“

Was ist genau passiert?

Herr Gerlach hat, nachdem das freundliche Gespräch mit der Dame beendet ist, keine Idee, wie es jetzt weitergeht. In solchen Situationen fällt ihm immer ein, dass er früher viele berufliche Termine hatte. Als sehr pflichtbewusster Mensch, will er auch gleich aufbrechen. Und Frau Rose greift sofort ein, indem sie ihn positiv leitet: „Wir wollen jetzt kochen und brauchen Ihre Hilfe“. Damit gibt sie ihm Sicherheit und Orientierung. Mit dem Zusatz „…bevor Sie gehen“ macht sie außerdem Anschluss an seinen Wunsch, seinen beruflichen Pflichten nachzukommen. So signalisiert sie ihm, dass sie ihn ernst nimmt.

Frau Rose weiß, dass Herr Gerlach außer dem starken Antrieb „Pflichtbewusstsein“ auch den Antrieb „Hilfsbereitschaft“ in sich trägt. Und deshalb sagt sie ihm mehrfach, wie wichtig seine Hilfe sei und zeigt ihm zusätzlich noch das Küchenmesser. Gleichzeitig etwas zeigen und die Botschaft wiederholen, nennen wir bei Marte Meo doppelte Botschaft. So kann Herr Gerlach besser verstehen. Und die ganze Zeit zeigt Frau Rose ihm ein gutes Gesicht und schafft zusätzlich durch die leichte Berührung am Arm Vertrauen. Damit handelt sie nach dem Marte Meo Prinzip Kontakt vor Leitung. Ohne Kontakt und Anschluss ist positive Leitung schwierig.

Frau Rose schließt diese Begegnung mit der freundlichen Aufforderung, sich zu setzen ab. Wenn wir positiv leiten unterstützen wir kognitiv eingeschränkte Menschen dabei, etwas zu tun. Im Verlaufe der Erkrankung verlieren sie zunehmend die altbekannten Handlungsmodelle und damit die Fähigkeit den Alltag zu bewältigen.

Durch das kleinschrittige Ansehen und positive Kommentieren einer Videoaufnahme, wie im Praxisbeispiel, erleben sich die unterstützenden Pflegekräfte, Alltagsbegleiter/innen oder Angehörige als Handelnde. Wie unter einem Brennglas können sie ganz genau wahrnehmen, was sie tun, um eine schwierige Situation gut zu bewältigen. Dadurch gewinnen sie mehr Handlungssicherheit für zukünftige Alltagssituationen und können später direkt auf die hilfreichen Elemente zurückgreifen.

Die einfachen Marte Meo Begriffe für hilfreiche Kontaktmomente (im Praxisbeispiel fett markiert) bestärken sie darin, Worte für das eigene Handeln zu finden. Das fördert eine gemeinsame Sprache im kollegialen Austausch. Marte Meo unterstützt diejenigen, die schon viel Erfahrung haben, besser zu verstehen, warum etwas funktioniert. Und die Unterstützenden, die noch am Anfang stehen, erhalten sehr konkrete Informationen, was genau sie wann machen können und warum das wichtig ist.

Wo wird Marte Meo eingesetzt?

Marte Meo ist eine alltagstaugliche Methode, die durch ihre Einfachheit und Fehlerfreundlichkeit überzeugt. Schließlich brauchen die Helfenden passendes Handwerkszeug, um einer wachsenden Zahl von Menschen mit kognitiven Einschränkungen gerecht zu werden. Die Möglichkeiten, eine videobasierte Unterstützung zu geben, lassen sich auf verschiedenste Ebenen übertragen:

begleitende Angehörige, Pflegeberater/innen, Sozialarbeiter/innen, Pflegekräfte, Heimleitungen, Mitarbeiter/innen einer Tagespflege, Betreuungskräfte, Ergotherapeut/innen, Physiotherapeut/innen, freiwillig Engagierte, Fußpfleger/innen, Hörgeräteakustiker/innen, Seelsorger/innen, Polizist/innen ...

Hier finden Sie ein Filmbeispiel: